Am 19. Mai 2014 fand in Zusammenarbeit zwischen der LAG Jungenarbeit Baden-Württemberg und dem Freiburger Arbeitskreis Jungenpädagogik der o.g. Fachtag : „Jungen – Mythen, Rollen, Körperbilder“. statt, zu dem 140 Männer und Frauen, die pädagogisch mit Jungen arbeiten ins Haus der Jugend kamen. Die Dokumentation bietet eine Zusammenschau der beiden Vorträge.
Olaf Jantz: Transkultureller Blickwechsel: Jungen anders sehen
In seinem Vortrag, der mit vielen Beispielen aus der eigenen Praxis illustriert wurde, plädierte Olaf Jantz für einen Perspektivwechsel, von der Defizit- zur Ressourcenorientierung. Er zeigte auf, wo Jungen ganz eigene Qualitäten aufweisen und präsentierte alternative Lernsettings, bei denen Jungen Lernerfolge haben. In seinen Ausführungen warb er dafür, Ambivalenzen, die nicht in tradierte Vorstellungskonzepte passen, aushalten und würdigen zu lernen. Mit den Worten Erich Fromms gab zu bedenken: „Nie spiegeln wir uns so wie im Urteil über den Anderen.“ Das Erkennen, Integrieren von und Arbeiten mit Differenz kann zu einem Qualitätsmerkmal (sozial-)pädagogischer Arbeit werden. Der Referent wies darauf hin, dass die Welten, in denen jungen Menschen heute aufwachsen, enorm komplex und vielfältig geworden sind, was auf der einen Seite Orientierung erschwert, aber auf der anderen Seite eine Vielfalt neuer Identitäts- und Präsentationsmöglichkeiten schafft. Mit der Vielfalt von Differenzen wird eine dualistische Einteilung in richtig – falsch, gut – böse, Deutsch – Ausländisch erschwert, ja oft nicht mehr zulässig. Jungen präsentieren sich in dieser Vielfalt und nehmen dabei auch kulturelle Differenz in die Selbstpräsentation auf. Jantz plädierte für das Zulassen und Aushalten, ja Anerkennen kultureller und anderer Differenzen und erklärte die Bedeutung des Konzepts transkultureller Jungenarbeit, die Verbindung von vielfältigen, auch kulturell geprägten Identitätsmustern und Männlichkeiten auf der Folie einer, sich immer mehr differenzierenden Gesellschaft. Viele Jungen beherrschen dieses „Switchen“ zwischen den Kulturen ganz hervorragend, eine Kompetenz mit Zukunft, die gewürdigt werden sollte.
Allan Guggenbühl: Mythen, Dramen Körperbilder – Wonach Jungs suchen
Allan Guggenbühl wies in seinem Vortrag darauf hin, dass in der Schweiz über 50 % der Jungen heute die Diagnose „verhaltensauffällig“ erhalten, oft mit Begriffen wie ADHS, Legasthenie medizinisch-psychiatrisch verklausuliert. Männliches Verhalten wird damit pathologisiert oder zumindest stigmatisiert. Jungs nehmen sich diese Fremdzuschreibungen oft an: „Etwas stimmt nicht mit mir.“ In dieser Wahrnehmung scheint die Lösung eine einfache: Wenn Jungs sich ändern. dann wird die Welt besser.
Dagegen steht, dass sich möglicherweise die Umgebung ändern und den Bedürfnissen von Jungen anpassen muss. Guggenbühl warb für ein Verstehen des Verhaltens von Jungen, das insbesondere im „weiblichen Biotop“ Schule als anders und schwierig gesehen wird. Jungen, wie auch Mädchen inszenieren ihr Verhalten entsprechend gesellschaftlicher Vorgaben und Erwartungen. Hier fehlt es Jungen an männlichen Vorbildern und männlichen Inszenierungsformen. Der Referent warnte davor, Jungen zu verlieren, d.h. sie nicht mehr zu erreichen, wenn nur Anpassung von ihnen erwartet wird. Anhand der Analyse weiblicher und männlicher Sprache gab er Hinweise darauf, wie Jungen „ticken“ und was sie brauchen: Das Sprechen bzw. Kommunizieren von Frauen stellt Beziehung her, zielt auf Konsens und Anpassung, dient aber mitunter auch der Verschleierung. Das männliche Sprechen ist tendenziell eher direkt und sachbezogen. Es geht allerdings oft einher mit Abwertung und Provokation. Hier steht eine auf Streit und Konflikt bezogener Sprachansatz einem auf Harmonie bezogenen gegenüber. Aus diesem Sprachkonzepten ergeben sich neue Ansatzpunkte für die reflektierte Arbeit mit beiden Geschlechtern.
Zusammenschau des Vortrags (Allan Guggenbühl)
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